Bildung stärken III - Musik, Kunst, Sport im Ganztag

Auf den Punkt gebracht

Musik, Kunst und Sport sollen in den Ganztagsangeboten einen festen Platz erhalten. Mit dieser Zielsetzung hatten die bayerischen Dachverbände Musik-Kunst-Sport zum dritten Fachtag „Bildung stärken - Musik, Kunst, Sport im Ganztag“ eingeladen. Über 150 Teilnehmer aus den Bereichen Schule, Verbände und Politik diskutierten am „Runden Tisch“ verschiedene Aspekte, damit Ganztag mit mehr Musik, Kunst und Sport gelingt.

 

Daniel Stock von TV München berichtete am Abend über den Fachtag (Klick im Bild)

Kreative Bildung fordern auch die Eltern

„In den letzten Jahren hat man den Anteil an affektiven Lernzielen im Unterricht zugunsten der MINT-Fächer zurückgefahren, das muss jetzt beim Ganztag, wo ungefähr ein Drittel der Stunden hinzukommt, Aufwertung erfahren“, begründete der Präsident des Bayerischen Musikrats, Dr. Thomas Goppel, zur Eröffnung der Fachtagung den gemeinsamen Vorstoß der Verbände, des Bayerischen Musikrats, des Bayerischen Landessportverbandes, des Berufsverbandes Bildender Künstler und des Landesverbandes der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen.

Herbert Püls, Ministerialdirektor für Bildung, Kunst und Wissenschaft, bestätigte in seiner Begrüßung die Aktualität der Thematik, da es in der Zukunft ein Recht auf Ganztag gebe und „bei diesem Recht soll die kreative Bildung der Schülerinnen und Schüler – das fordern auch die Eltern - weiter vorangetragen werden“. „Ganztag muss bunt sein, muss vielfältig sein“, so Püls weiter. Daher sei die Zusammenarbeit mit den außerschulischen Partnern ganz wichtig. Püls: „Nur so können wir über das Stammpersonal an unseren Schulen hinaus Vielfalt gestalten.“ In diesem Zusammenhang plädierte er für gegenseitige Flexibilität, damit es zwischen Schulen und Partnern auch gelinge.

Kulturelle Bildung ist die Grundlage von allem anderen

Für die Gesellschaft ist Kunst und Kulturelle Bildung lediglich ein „luxuriöses Glasperlenspiel“. Mit dieser These eröffnete Prof. Dr. Eckart Liebau, Inhaber des UNESCO-Lehrstuhl für Kulturelle Bildung und Vorsitzender des Rates für Kulturelle Bildung, seinen Impulsvortrag. Liebau schilderte die kontrovers geführte Debatte über den Wert von Kunst, Musik und Sport in der Bildung und kam zu dem Schluss, dass die Künste die eigentliche Grundlage für jeglichen Erkenntnisgewinn bildeten: „Die Künste bieten mit ihren Klangwelten, Bewegungswelten, Bildwelten, Sprachwelten etc. das reichste und anspruchsvollste Repertoire für die Wahrnehmung, das es gibt. Zugleich sind sie immer für Überraschungen gut. Die hier zu erwerbenden Fähigkeiten und Fertigkeiten sind daher die Grundlage von allem anderen (…) auch aller kognitiven Leistungen und Operationen. Man kann nicht denken, wenn man nicht wahrnehmen und gestalten kann. Man kann nicht gut leben, wenn man seine Sinne nicht differenziert gebrauchen kann. Differenziert zu hören lernt man durch das Hören und Spielen von Musik, differenziert zu sehen lernt man durch das Sehen und Machen von Bildern, sich differenziert zu bewegen durch Tanzen und Beobachtung von Tanz, durch Parcours und sportliche Spiele. Im Theater und im Film erfahren wir, wie die Welt sein und was sie bedeuten kann. Und die Literatur bringt uns ins Gespräch mit den historischen und aktuellen Kulturen der Welt und mit uns selbst.“

Michael Rißmann, Leiter des Referats „Ganztagsschule, Mittagsbetreuung“ im Bayerischen Bildungsministerium, gab einen ausführlichen Blick auf Zielsetzung und Ausweitung des Ganztags in Bayern und unterstrich die Bedeutung der "Kulturellen Bildung" im Zusatzangebot und die Rolle der externen Kräfte.

Fachbezogener Expertenaustausch

Zum Abschluss stellten Moderatoren die Ergebnisse der Runden Tische vor. Am Vormittag hatten Experten und Ratsuchende aus den Bereichen Schule, Verwaltung und externe Anbieter von Kunst, Musik und Sport an insgesamt sieben „Runden Tischen“ übergreifende und fachbezogene Themen erörtert und diskutiert.

Um "Modellprojekte für kulturelle Schulentwicklung" ging es an Tisch 1. Andrea Engl vom Kulturreferat München erläuterte das bundesweit etablierte Programm zur Verbesserung der Kooperation zwischen Schulen und externen Partnern im Bereich kultureller Bildung. Einmütig verlief der Austausch darüber, dass kulturelle Bildung dem System Schule durch viele dadurch erzielte Effekte positiv zur Seite stehe, dazu zählten u.a. die Bereiche Inklusion, Integration und Partizipation durch selbstbestimmtes Handeln. Einig waren sich alle Tisch-Teilnehmer auch darin, dass kulturelle Bildung im Ganztag einen großen Mehrwert für alle Beteiligte darstelle. Diese positiven Ergebnisse würden aber nur erzielt, wenn alle Bereiche gut aufgestellt seien. Um welche Bereiche es sich dabei handelt, wurde schwerpunktmäßig an den Tischen 2-6 besprochen.

„Gute Argumente für mehr Kunst, Musik und Sport im Ganztag“, so das Thema an Tisch 2, hatte am Vormittag bereits Prof. Dr. Liebau formuliert. Henry Steinhäuser vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) fasste die wichtigsten Argumente nochmals zusammen und stellte heraus, dass diese Effekte nur erzielt werden können, wenn Qualität im Mittelpunkt stehe. Ein weiterer wichtiger Baustein in der Überzeugungsarbeit gelte den Eltern und „Verbündeten“ auf Schulebene.
 
Am Tisch 3 zum Thema „Rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für externe Anbieter“ wurde Sebastian Bauer von der BSJ-Agentur Sport im Ganztag von Steffen Heußner aus dem Kultusministerium unterstützt. Als positive Entwicklung werteten die Teilnehmer, dass das Kultusministerium alle Problemfelder kenne und signalisiere, dass die Finanzierung nicht ausschließlich über den Ganztag gelingen könne und auch nicht müsse. Schnell kristallisierte sich heraus, dass es noch eine Vielzahl an Spannungsfeldern gebe, die es zu regeln und zu moderieren gelte. Dabei fielen Stichworte wie Raumvergabe und Ausstattung, Kontinuität und Befristung der Projekte, Verbindlichkeit und Flexibilität, Qualität versus Quantität. Das begrenzte Budget erfordere jedoch einen Balanceakt, der sich durch Fragen zur Verrechenbarkeit – Bemessung des Leistungsendgeltes (Arbeitsendgelt - abhängig von Qualifikation, Umfang, Dauer der Beschäftigung) sowie durch Fragen um langfristige Qualitätsentwicklung und Verwaltung mit älter und damit teurer werdenden Mitarbeitern noch verschärfe.
 
Dr. Christian Büttner vom Bürgermeisterbüro Schule/Sport Nürnberg stellte am Tisch 4 zum Thema: „Die Rolle der Kommune im Ganztag“ fest, dass es in München und Nürnberg erfolgreiche Modelle gebe. Im Zuge der Übertragbarkeit auf andere Städte und Räume gelte es, gleich mehrere Herausforderungen im individuellen Zuschnitt zu meistern, zumal es gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern nicht gebe. Die Kommune spiele hier als Netzwerkpartner, Moderator und Anlaufstelle zur Bewältigung von Finanzierungsmodellen, Antragstellungsverfahren und Rechtsberatungsbedarf eine entscheidende Rolle. Im Vorfeld müssten Qualitätssicherungsmaßnahmen ergriffen werden, um Standards einfordern zu können. Die notwendige Kontinuität des Ganztags erfordere entsprechende Räumlichkeiten. Einen Spagat stelle die Finanzierung von qualifiziertem Personal dar. Erschwerend hinzu komme die unterschiedliche Finanzkraft der einzelnen Kommunen. Bildungsregionen könnten hier unter Umständen Abhilfe schaffen.

Unter drei Aspekten fasste Daniela Biebl von der Landesvereinigung Kulturelle Bildung die Ergebnisse von Tisch 5: „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ zusammen. Zum einen gehe es um den Handlungsspielraum zwischen der Lehrkraft und der externen Fachkraft. Beide Seiten sollten unbedingt offen sein gegenüber neuen Strukturen und Themen, dem Konkurrenzempfinden solle man sich bewusst sein, in ein Teamgefühl umwandeln, die eigene Grundhaltung hinterfragen, reflektieren und entsprechend ausrichten. Den zweiten Aspekt betreffe die Schulleitung inklusive des Kollegiums. Grundsätzlich sei eine Begrifflichkeit zur Differenzierung in externe und interne Fachkräfte zu definieren, sie in den Gesamtablauf der Schule zu integrieren und Begegnungsräume aller Fachkräfte zu schaffen, um über die Kommunikation eine beidseitig ausgewogene Grundhaltung zu erzielen. Schließlich ist die Politik gefordert. In dem sie den finanziellen Rahmen schafft, damit der Ganztag räumlich und personell qualitätvoll ausgestattet und bedarfsgerecht auch die Bedürfnisse der Eltern individuell und flexibel berücksichtigt, trägt sie maßgeblich zum Gelingen bei.
 
An Tisch 6 erörterten die Teilnehmer die „Ganztagsgestaltung mit eigenem Personal“. Dr. Dieter Rossmeissl vom Kulturausschuss Deutscher Städtetag fasste zusammen, dass die kulturelle Bildung trotz PISA in der Schule angekommen sei, die Kommunen zwischenzeitlich mit finanziellen Mittel dazu beitragen, dass Angebote im Bereich kultureller Bildung möglich werden, ohne den Geldbeutel der Eltern zusätzlich zu belasten und Lehrerstunden für den Ganztag prinzipiell zur Verfügung stünden, auch wenn es dabei kein Sonderkontingent für kulturelle Bildung gebe. Klärungsbedarf sahen die Teilnehmer in der Frage, wie sich Ganztagsbetreuung und Ganztagsbildung zueinander verhalten und forderten, ein verbindliches Grundkonzept vorzugeben, das sich nicht nur am Betreuungsanspruch der Eltern, sondern auch am Bildungsanspruch der Kinder orientiere. Wo Selbständigkeiten wie die des Lehrers und des Künstlers zusammenwirken, gelte es, diese zu wahren und gegenseitig zu respektieren, indem man klar anerkennt, dass die pädagogische Verantwortung beim Lehrer, die künstlerische beim Künstler liege. Weiteren Handlungsbedarf beschrieben die Teilnehmer mit Blick auf die Vorbereitung der Lehrkräfte auf den Ganztag. Im Bereich der Lehrerfortbildung gäbe es gute Ansätze, im Bereich der Lehrerausbildung hingegen fehle es grundsätzlich an Angeboten, zukünftige Pädagogen auf ihre Arbeit zum Unterricht im Ganztag mit multiprofessionellen Teams vorzubereiten.
Christiane Franke
 
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