Fachtag 2018 Berufsbild MusiklehrerIn – Musikpädagogik 4.0 - Dokumentation

Fachtag 2018 Berufsbild MusiklehrerIn – Musikpädagogik 4.0 - Dokumentation

Am Freitag, 11. Mai 2018 veranstaltete der Bayerische Musikrat in den Räumen des Bayerischen Landtages einen Fachtag „Berufsbild MusiklehrerIn“. Hier wurden Arbeitsfelder und Arbeitsbedingungen für MusikpädagogInnen in Hochschule, Schule, Musikschule und weiteren Bildungseinrichtungen sowie in der Laienmusik vorgestellt und diskutiert.
Die abschließende Diskussion im Plenum zeigte zum einen, dass ein dringender Wunsch nach besserer Vernetzung der verschiedenen Phasen der Hochschulbildung besteht, um in der  Ausbildung noch gezielter auf den Berufsalltag vorbereiten zu können. Klar wurde aber auch, dass die Rahmenbedingungen in den Schulen verbessert werden müssen (Lehrerarbeitszeit, Raumsituation, Uhrzeiten, Ausstattung mit Instrumenten, Technik…), und dass genügend Unterrichtszeit und die positive Wahrnehmung des Faches Musik unabdingbar sind.

Ablauf und inhalte

Impressionen aus dem plenum und den arbeitsgruppen

Fotograf: Pablo Blanco-Feuerlein

Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitsgruppen im Plenum

Zusammenfassung der Ergebnisse der AG 1 Aus- und Weiterbildung, Fortbildung

Leitung: Wilhelm Lehr, Vizepräsident BMR
Prof. Dr. Daniel Mark Eberhard, Präsidiumsmitglied des BMR

Herr Prof. Dr. Eberhard für die AG 1:

Ziel war es, die aktuelle Situation in der Aus-, Fort- und Weiterbildung darzustellen und die drängendsten Probleme zu benennen. Es wurde von verschiedenen Perspektiven auf musikalische, auf musikpädagogische Arbeitsfelder geblickt. Wir sprachen über inhaltliche Problemlagen (z.B. Studienstrukturen, Studieninhalte), systemisch-strukturelle Probleme, politisch relevante Probleme, über gesellschaftliche aber auch persönliche Haltungen.

Bei den systemisch-strukturellen Problemen wurden insbesondere folgende Schwierigkeiten angesprochen:

  • Immer wieder wurde auf die fehlende Vernetzung der Lehrerbildungsphasen von der 1. Phase an der Hochschule über das Referendariats-Seminar bis hin zum Fort- und Weiterbildungssektor hingewiesen.
  • Auch die Anstellungssituation in bestimmten Schulformen ist ein Problem. Konkret wurde die Realschule angesprochen mit zum Teil sehr düsteren Prognosen für das Fach Musik.  
  • Ebenfalls sehr kritisch gesehen wurde die Abwählbarkeit für das Fach Musik in der Mittelschule ab Jahrgansstufe 7 oder ab Klasse 10 in der Realschule.
  • Und obwohl erfreulich, dass es eine Basisqualifikation Musik gibt, wurden Erschwernisse genannt, diese Basisqualifikation Musik so zu gestalten, dass man anschließend auch ausreichend qualifiziert für den anspruchsvollen Beruf des Musiklehrers in der Grundschule ist. Tatsächlich ist es zur Zeit sehr schwer, Abordnungen von erfahrenen Grundschullehrern an die Hochschulen zu bekommen, weil es einen eklatanten Lehrermangel an der Grundschule gibt. Es gibt daher den Wunsch, dass hier systemisch-strukturell nachgebessert werden würde.
  • Angesprochen wurde auch die Wertigkeit von Studiengängen. Das hat auch mit der Historie von Institutionen zu tun. Beispielhaft wurde die EMP erwähnt, ein sehr wichtiger Studiengang, weil er die angehenden Musikpädagogen mit einer Breite an musikpädagogischen Fähigkeiten, Kompetenzen und Methoden ausstattet. Das sind genau diejenigen Musikpädagogen, die später im Arbeitsmarkt dringend gesucht werden und daher beruflich problemlos unterkommen, in Bezug auf die Studierenden- und Absolventenzahlen jedoch unterrepräsentiert sind und z.T. sehr konträren Bildungsvorstellungen und Wertigkeiten an Musikhochschulen ausgesetzt sind.

Angesprochen wurden zudem Probleme aufgrund ungeeigneter Musikräume und schlechter baulicher Substanz.
Die Folgen des G8 und die Problematik des Status als „nicht-wissenschaftliches Fach“ wurden ebenfalls thematisiert.

In Bezug auf die Praxis – das Kernfeld der zweiten AG – wurden aber auch in unserer AG einige Aspekte genannt, u. a. die Finanzierung von Instrumental-/ Vokalpädagogen oder auch von EMP-Absolventen an den Musikschulen. Das Hauptproblem ist dabei die zu geringe Bezahlung im Vergleich zu Qualifikationsmaßnahmen, die in sehr kurzer Zeit zu Musikpädagogen ausbilden sollen (Wochenendkurse).

Diskutiert wurde zudem über Probleme auf Ausbildungsebene.

  • Beklagt wurden zum Teil Studienstrukturen, die dazu führen, dass an den Hochschulstandorten sehr unterschiedlich, sehr heterogen unterrichtet wird – trotz verbindlicher LPO, dass sehr unterschiedlich befüllt wird und dementsprechend die Studierenden auch mit unterschiedlichen Kompetenzen aus den Hochschulen entlassen werden. Die unterschiedlichen Qualifikationen werden nicht nur als Vorteil wahrgenommen, sondern auch als sehr große Herausforderung der Seminarausbildung.
  • Auch ein Problem: Mangelnde Berufsfeldbezüge im Studium. Viele sehen die Hochschulen immer noch als „Elfenbeinturm“ fernab von der realen Situation an vielen Schulen.
  • Sehr schwierig ist der Mangel an Mittelschul-Lehrkräften sowohl im Studium als auch später an den Schulen in den Seminarstrukturen. Es gibt zudem den Wunsch, eine Basisqualifikation Musik für die Mittelschule einzuführen, ebenso für die Förderschule.

Intensiv besprochen wurde auch das Thema Seminarausbildung im Referendariat, 2. Ausbildungsphase:

  • Beklagt wurde u.a. die mangelnde Zeit angesichts der Fülle dessen, was sowohl Seminarlehrer als auch Referendare zu leisten haben. Das hängt u.a. mit politischen Versprechen zusammen, die nicht eingelöst wurden: vermeintliche kurzzeitige Mehrbelastungen, die sich wieder auflösen sollten, die aber zum Dauerzustand wurden.
  • Die unterschiedliche Gestaltung von Seminaren wurde am Beispiel der Mittelschulen aufgezeigt.
  • Es wurde beklagt, dass die Lehrer viele Zusatzaufgaben zu erfüllen haben und eine Entschlackung sinnvoll wäre.
  • Thema war zudem die „persönliche Haltung“ mancher Referendare, was ihren eigenen Lernfortschritt, das Eingeständnis von Defiziten und die Bereitschaft, diese Defizite aufzulösen, betrifft.
  • Ein wichtiges Thema waren ebenso Fortbildungen.
  • Angesprochen wurde das Grundverständnis von Fortbildungen in Bezug auf eine konsekutive Staffelung von Bildung nach vorherigem Studium und zweiter Phase. Fortbildung sollte jedoch eher in ein vernetzendes System umgewandelt werden, so dass es auch Referendaren möglich ist, Fortbildungen zu besuchen, um in ihren Domänen ggf. Wissen- und Kenntnislücken auszugleichen. In Fortbildungen begegnen sich idealerweise Lehrkräfte, Studierende und Referendare – im Sinne der Phasenvernetzung wäre dies sinnvoll und äußerst ertragreich.
  •  Angesprochen wurde aber auch das Thema Zeitmangel:
    • dass Lehrkräfte sowohl an Musikschulen als auch an allgemeinbildenden Schulen sich häufig überlastet fühlen,
    • dass sie fortbildungsmüde sind und
    • dass die Zeiten, an denen Fortbildung stattfindet, ungeeignet sind (übers Wochenende oder mehrtägig) und die Bereitschaft dafür nicht gegeben ist.
    • Aber auch die Genehmigungspraxis durch Schulleiter, die die nötigen Freistellungen nicht erteilen oder auch nicht erteilen können.


Zusammenfassung:
Die Beanstandungen beziehen sich auf

  • systemisch-strukturelle sowie politische Gegebenheiten,
  • auf Gegebenheiten in der Praxis,
  • auf Probleme in der Ausbildung innerhalb der Hochschulen,
  • Ausbildung im Referendariat,
  • persönliche Haltungen und
  • auf den Fortbildungssektor.

 

Zusammenfassung der Ergebnisse der AG 2 Berufstätigkeit

Leitung: Wolfgang Greth, Präsidiumsmitglied BMR
Heidi Speth, Präsidiumsmitglied BMR

Frau Speth für die AG 2:

Die Ergebnisse hier kurz zusammengefasst:

Lehrkräftenachwuchs in der elementaren Musikpädagogik, wünschenswert mit Zusatzfach (nicht Nebenfach)
Sorgen macht uns der Lehrkräftenachwuchs in der elementaren Musikpädagogik. Da doppelt sich vieles mit dem, was Herr Prof. Eberhard gerade schon angesprochen hat. Aus unserer Sicht wäre wichtig, dass Studierende nicht ausschließlich in EMP ausgebildet werden, sondern auch im Zusatzfach. Eine wirklich fundierte Ausbildung erhalten Lehrkräfte erst dann, wenn sie EMP nicht nur als Nebenfach studiert haben.

Praxisorientiertere Ausbildung an Hochschulen im Klein- und Großgruppenunterricht
Wichtig wäre eine größere Praxisorientierung an der Hochschule – das gilt nicht ausschließlich für Musikunterricht an Schulen, sondern genauso für den Unterricht an den Musikschulen. Die künftigen Lehrkräfte sollen an der Hochschule eine Ausbildung im Kleingruppenunterricht und im Großgruppenunterricht erhalten und dabei didaktische Impulse erfahren. Das wurde mehrfach angesprochen.

Perspektivenwechsel: Unterricht vom Kind aus
Der Unterricht sollte vom Kind ausgehen, genauer gesagt: von den Bedürfnissen des Kindes.
Da muss also ein Perspektivenwechsel stattfinden:
-    das gilt gerade für die Musikschulen
-    und genauso für die allgemeinbildenden Schulen, in denen wir ja alle Kinder unterrichten, nicht nur die Kinder, deren Eltern es sich finanziell leisten können, einen Instrumentallehrer zu bezahlen.

Mehr Zeit für Klassenunterricht Musik, mindestens zweistündig, kein Wahlpflichtfach
Unser Kernanliegen ist ein Klassenunterricht Musik, in dem alle Kinder mit Musik in Berührung kommen. Für diesen Unterricht brauchen wir aber einfach mehr Zeit, um das alles umzusetzen, was wichtig ist. Musik soll daher in allen Jahrgangsstufen der allgemein bildenden Schulen mindestens zweistündig unterrichtet werden. Musik soll auch kein Wahlpflichtfach sein, das man abwählen kann. Außerdem sollte die Musiknote in allen Schularten im Abschlusszeugnis erscheinen.
Problematisch ist zudem, dass Musik z.B. an der FOS/BOS kein NC-Fach ist, so dass sich dann der Schüler überlegt: Ich wähle Musik ab und belege stattdessen ein Fach, das mir für den Notendurchschnitt beim NC etwas bringt.

Rahmenbedingungen verbessern (Lehrerarbeitszeit, Raumsituation, Uhrzeiten, Ausstattung mit Instrumenten, Technik etc.)
Dann hatten wir einen wesentlichen Schwerpunkt in der Diskussion zu den Rahmenbedingungen von Musikunterricht.

  • Zunächst die Lehrerarbeitszeiten. Noch immer unterrichten Musiklehrkräfte an weiterführenden Schulen vier Wochenstunden mehr als die Lehrkräfte der sog. wissenschaftlichen Fächer wie Biologie, Geschichte usw.
  • Daneben ist die Raumsituation oftmals schwierig: Es gibt Musiksäle, die sind winzig klein. Da kann man dann zwar in den Lehrplan hineinschreiben, alle sollen sich bewegen – aber, wenn die Schüler eingepfercht sind „wie die Hühner auf der Stange“, dann lässt sich das, was klug gedacht ist, einfach nicht umsetzen. Auch haben dort Instrumente gar keinen Platz.
  • Ein weiterer Punkt sind Fenster, die nicht schließen. Jeder weiß, wie das wertvolle Instrumentarium unter solchen Bedingungen leidet, wie oft ein Flügel gestimmt werden muss usw.
  • Die Uhrzeiten des Musikunterrichts: Unter der Prämisse „Musik macht ja Spaß“ werden für den Musikunterricht häufig die ungünstigen Uhrzeiten am Nachmittag reserviert. Zu dieser Zeit können sich viele Kinder nicht mehr richtig konzentrieren.
  • Die Ausstattung mit Instrumenten ist ein Kritikpunkt, der sich durch alle Bereiche zieht. Sei es an der Förderschule, an der Grundschule bis hin zum Gymnasium: Die Ausstattung ist oftmals beklagenswert.
  • Gleiches gilt für den Bereich der Technik. Man denke nur, was man alles braucht, wenn man mit einer Band auftreten soll - dennoch ist auch in diesem Bereich die Ausstattung oft mangelhaft.  

Wertschätzung für Musikunterricht erhöhen (Vorrückungsfach, Wahrnehmung erfolgt oft nur im Konzert)
Überhaupt ist die Wertschätzung des Musikunterrichts eher gering. Das zeigt sich z. B. daran, dass Musik in vielen Jahrgangsstufen und Schularten kein Vorrückungsfach ist. Leider bemerkt man die fehlende Wertschätzung aber auch daran, dass die Wahrnehmung des Musiklehrers nicht darüber erfolgt, was er im Unterricht leistet und wie er da SchülerInnen an das Hören einer Beethoven-Symphonie heranführt, sondern dass er nur wahrgenommen wird als Organisator und vielleicht noch musikalischer Leiter diverser Konzerte und als schmückendes Beiwerk bei Veranstaltungen, quasi als musikalischer Blumentopf vor dem Rednerpult.
Die fehlende Wertschätzung zeigt sich auch in der Bezahlung, aber das sollte ja wie vereinbart nicht unser heutiges Thema sein.

GS/MS/FöS: qualifizierte Lehrkräfte fehlen, Musikunterricht findet teilweise nicht statt
Wirklich problematisch an Grund-, Mittel- und Förderschulen ist, dass häufig gut qualifizierte Lehrkräfte fehlen. In diesem Fall kann Musikunterricht gar nicht stattfinde. Häufig wollen gering qualifizierte Lehrkräfte das Fach Musik nach Möglichkeit nicht unterrichten. Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigen gut ausgebildeten (Musik-) Lehrkräfte auch noch in ihren anderen Fächern unterrichten müssen, weil diese „viel wichtiger“ sind.

FOS/BOS: Schüler erleben in Praktika kaum gute Praxisbeispiele
Was uns an der FOS/BOS schwer zu denken gegeben hat, ist die Tatsache, dass die Schüler, die im sozialen Zweig Musikunterricht haben, in ihren Praktika kaum Praxisbeispiele erleben. Sowohl im Kindergarten als auch in der Geragogik gibt es kaum Vorbilder, denen sie nacheifern können. Das ist schon etwas, was sich ändern muss. Gerade im Kindergarten ziehen wir ja unseren Nachwuchs heran für alle Bereiche des musischen Lebens.

Fortbildung: kontinuierliche Begleitung der Lehrkräfte, gerade im Bereich GS
Ein klares Signal in Richtung Fortbildung ist, dass gerade im Grundschulbereich sich die Lehrkräfte eine kontinuierliche Begleitung wünschen. Es bleibt der Eindruck: je weniger Ausbildung in der ersten Phase erfolgt ist, desto dringender wünschen sich die Kollegen eine kontinuierliche Begleitung in ihrer beruflichen Tätigkeit.

Wünschenswert: Kooperationen zwischen Schulen, Musikschulen, Laienverbänden, privaten Anbietern
Ein Punkt, den ich von allen Beteiligten gehört habe, war: Kooperationen sind etwas ganz Wertvolles – wenn denn alle Beteiligten vernünftig miteinander sprechen und auch richtig einbezogen werden. Dass Schulen, Musikschulen, Laienverbände und private Anbieter sich da gegenseitig ergänzen können, das war uns allen klar. Das muss aber natürlich in einem vernünftigen Rahmen passieren, so dass sich dann nicht jemand „auf den Schlips getreten fühlt“ und sagt „der andere nimmt mir etwas weg“. Wichtig ist, dass wir alle zusammenarbeiten!


    

 

Wortprotokolle der Arbeitsgruppen mit Statements der SprecherInnen und Diskussion

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