Ein universales Instrument

Von der Konferenz der deutschen Landesmusikräte wurde die Pfeifenorgel zum „Instrument des Jahres“ gewählt. Gern habe ich für den Bayerischen Musikrat gemeinsam mit Florian Herrmann die Schirmherrschaft übernommen.

Als nebenamtlicher Organist bin ich mit diesem Instrument seit bald achtzig Jahren eng verbunden - seit dem Jahr 1942, in dem mich unser Pfarrherr in Freiburg-Mariahilf als Ministrant vom vorderen Altarraum auf den rückwärtigen Orgel-Chor versetzte, weil der Organist als Soldat eingezogen worden war. Seither spiele ich Orgel in Gottesdiensten. Später kamen Konzerte hinzu. Orgelspielen ist eigentlich mein ältester Beruf. Dass ich bei Studien in Paris in den fünfziger Jahren noch Olivier Messiaen und Marcel Dupré in sonntäglichen Gottesdiensten spielen hören konnte, rechne ich zu den Glücksfällen meines Lebens.

Buchstäblich „mit Händen und Füßen“ spielen Organisten auf ihrem Instrument - einer Summe von Bläserstimmen aus vielen Pfeifen. Sie nutzen die „Lunge“ der Orgel, die heute meist elektrisch gesteuerte Windversorgung. Früher besorgte der Kalkant mit seinem Hebelarm den Wind. Und sie bedienen am Spieltisch mit ganzer Körperkraft die Spielanlage, das „Nervensystem“ des Instruments.

Organisten waren lange unsichtbar. Meist thronten sie in den Kirchen in unzugänglicher Höhe im Rücken oder seitwärts der Kirchengemeinde. Längst jedoch sind sie als Virtuosen auch in die Konzertsäle hinabgestiegen, die inzwischen weltweit mit Orgeln ausgestattet sind, auch in Ländern, die über keine eigene kirchliche Orgeltradition verfügen.

Ist die Orgel nun, wie Mozart vermutete, „der König aller Instrumente“? Oder ist sie, wie moderne Riesenorgeln vermuten lassen, vor allem ein hochartifizielles technisches Gerät?

Wir wissen und hören mit eigenen Ohren: Die Orgel ist starr. Sie biegt sich nicht, verändert sich nicht unter dem Anschlag, dem Spiel, wie dies Klavier, Geige, Oboe, Pauke tun. Der Organist ist auf die Farbmischungen der Register angewiesen. Diese sind freilich unendlich vielfältig.

Doch die Orgel, dieses starre Instrument, hat erstaunlicherweise wohl die meisten Improvisatoren und Improvisationen der Moderne hervorgebracht. Sie lebt geradezu aus dem Geist der Improvisation. Das verleiht ihr Vitalität und Offenheit. Sie ist ein universales, stets neuen Entwicklungen zugewandtes Instrument. Daher ist mir auch um ihre Zukunft im künftigen Kosmos der Instrumente nicht bange.

Prof. Dr. Hans Maier, Staatsminister a.D.

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