FREYWIS-ORGEL IN ROTTENBUCH

Treffen in Rottenbuch zur Begehung der Orgelbaustelle in der Pfarrkirche Mariae Geburt (v.li. vorne): Dr. Thomas Goppel, Ehren-Präsident des BMR, Dr. Hans-Wolfgang Theobald, Orgelbaufirma Klais, Pfarrer Josef Fegg, (v. li. hinten): Josef Lorenz, Kirchenpfleger Rottenbuch,  Dr. Nikolas Könner, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Florian Löffler, Organist in Rottenbuch. Foto: BMR


Restaurierung einer wahren Rarität

Nach knapp zwei Jahren kehrt die Barockorgel des Erbauers Balthasar Freywis in die Rottenbucher Stiftskirche zurück, 10 Meter hoch, 12 Tonnen Gewicht, rund 3000 Pfeifen. Ehrenpräsident Dr. Thomas Goppel informierte sich vor Ort über die Historie der denkmalgeschützten Orgel.

Über 20 Jahre gingen ins Land, bis es zur Restaurierung kam, erzählt Dr. Nikolaus Könner, Hauptkonservator und Referatsleiter im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Das Vorhaben konkret ins Laufen brachte ein singuläres Ereignis. Das Deutsche Museum hatte der Kirchengemeinde in Rottenbuch historische barocke Windladen der großen Kloster-Orgel sprichwörtlich vor die Tür gestellt. Jahzehnte lang lagerten sie im Keller des Muesums. Wie sich herausstellte, waren sie im Rahmen der letzten Sanierung im Jahr 1963 aus der historischen Orgelanlage entfernt worden.


Denkmal-Eigenschaften 

Bereits 2012 hatte der Bonner Orgelbauer Dr. Hans-Wolfgang Theobald die Barockorgel in Rottenbuch genauer unter die Lupe genommen und eine 62 Seiten starke Bestandsaufnahme erstellt. Rottenbuchs Kirchenpfleger Josef Lorenz erinnert sich genau an den Sommer und hat das Ereignis in der Kirchenchronik festgehalten. Theobald erkannte das Konzept einer süddeutschen Barockorgel, wie sie nur noch selten zu finden ist. Seine Expertise brachte zutage, dass noch historische Windladen vom Pedal und vom Rückpositiv da waren, sowie zirka die Hälfte des Pfeifenwerks, aber in völlig veränderter Form. Die Rückgabe weiterer barocker Windladen durch das Deutsche Museum brachte das Unternehmen schließlich zum Laufen. Könner: „Dieser Bestand, man kann sagen, es ist der Kernbestand des historischen barocken Orgel-Werks, war dann doch so umfangreich, dass in jedem Falle eine Denkmal-Eigenschaft auch für das historische Klangwerk noch gegeben war.“


Kriminalistische Spurensuche

Vier Orgelbaufirmen bewarben sich mit Expertisen für den Umbau. Könner: „Im Rahmen einer solchen Orgel-Instandsetzung ist der wichtigste Punkt, den historischen Bestand wieder entsprechend den Ursprüngen herzustellen. Das heißt, die Pfeifen an die alte Stelle wieder zurückzubringen, die Windladen wieder dort aufzulagern, wo sie ursprünglich standen, die Trakturen wieder entsprechend einzurichten. Das heißt, die Befunde, die ja am historischen Bestand teilweise nur noch als kleine Spuren ablesbar waren, richtig zu analysieren, zu deuten und aus dem Bestand und den Spuren das Puzzle wieder zusammenzusetzen.“

Die Bonner Orgelbaufirma Klais bekam den Zuschlag. Dr. Hans-Wolfgang Theobald, bald 40 Jahre als Restaurator für Klais rund um den Globus unterwegs, übernahm die kriminalistische Spurensuche, die mit dem Abbau im Juni 2019 begann. „Ich habe mich anfangs sehr schwer getan mit dieser Orgel“, gesteht Theobald. „Beim Umbau 1963 wurde eigentlich mehr zugeschüttet als erhalten.“ Eine große Hilfe zum „Reindenken in die Welt des Orgelbauers Freywis“ bot die sehr gut erhaltene Orgel in der Klosterkirche in Irsee.


Gebaut um 1747

1746 hatten die Augustiner-Chorherren von Rottenbuch unter Propst Clemens Prasser dem Orgelbauer Balthasar Freywis (1713-1783) den Auftrag zum Neubau einer Orgel erteilt. 1747 wurde das Werk eingeweiht, eine der Bauzeit entsprechende Barockorgel mit 30 Registern, 2 Positiven, Chorbrüstung und Kronpositiv. Orgelempore und -prospekt sind ein Meisterwerk von Franz X. Schmädl. Die Orgel in Irsee baute Freywis zwischen 1752 und 1754. In seinem Todesjahr 1783 wurde die Rottenbucher Orgel durch seinen Werkführer Andreas Handmann modernisiert und damit von einer Orgel des Rokokos zu einem Instrument der späten Klassik umgewandelt.


Kirchenmusik-Leben mit der Barockorgel

Die Restaurierungsarbeiten konzentrieren sich auf den Stand von 1783 und auf den ursprünglichen barocken Klang, zart und fragil. Bei dieser Aussicht strahlt Florian Löffler. Seit Januar ist der ausgebildete Organist und Tenor hauptamtlicher Kirchenmusiker im Pfarrverband Rottenbuch und plant eifrig in Richtung Zukunft. Er will die musikalische Tradition der Augustiner wieder beleben, sowie die Gesangskultur in der Region und darüber hinaus.

„Wir haben lange nach der richtigen Besetzung des Organisten gesucht“, erzählt Hausherr Pfarrer Josef Fegg. Mittels der Musik möchte er Menschen neu für den Glauben, für die Kirche, für die Religion, für Gott begeistern. Ganz konkret denkt er an musikalische Meditationen und vergleichbare Musikangebote. Rottenbuch hat auch einen guten Chor. Fegg: "Musik in einem Gottesdienst ist wie Beten, nur mit anderen Mitteln."


Finanzierung aus vielen Fördertöpfen

700.000 Euro kostet die Restaurierung, für eine kleine Dorfgemeinde ein Riesenprojekt, sagt Dr. Könner. „Der Großteil kommt vom Bund, zirka 300.000 Euro. Die bayerischen Denkmal Fördergeber in Summe, das ist der Bezirk Oberbayern, die bayerische Landesstiftung und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege haben 150.000 Euro beigesteuert. Eine vergleichbare Summe hat die Erzdiözese München beigefördert. Den Rest übernimmt die Kirchengemeinde, die, glaube ich, auch noch von der hiesigen bürgerlichen Gemeinde unterstützt wird.“

 


Dem Himmel näher

Nach dieser umfassenden Einführung in die Restaurierungsarbeiten der Orgel dankte BMR-Ehrenpräsident Dr. Thomas Goppel allen an der Umsetzung Beteiligten mit der Feststellung, dass nach der Fertigstellung der Orgel sich jeder Besuch in der Rottenbucher Kirche lohne.

Goppel: „Mit der Barockorgel werden wir zu einem Denken geführt, wie man es eigentlich schon längst verlernt hat. Diese Orgel in dieser wunderschönen Kirche löst das Gefühl aus, dass man dem Himmel ein paar Meter näher ist.“

Die offizielle Einweihung der Orgel wird je nach Pandemiestand im Herbst 2021 oder Frühjahr 2022 stattfinden.

Christiane Franke

zurück